Rom, Geschichte – Stadtentwicklung

Spätantike:

Der Galliersturm:  390 v. Chr. wird das römische Heer von den Galliern in der Schlacht an der Allia besiegt. Anschließend kommt es zum Angriff auf Rom. Dieser erfolgt der unsicheren späteren Überlieferung zufolge nachts, als die Bewohner schlafen. Zwar wird Rom eingenommen und geplündert, aber das Kapitol können die Kelten nicht erobern, weil die Gänse Alarm schlagen, sodass die nötigen Verteidigungsmaßnahmen noch eingeleitet werden können. Seither genießen die Gänse bei den Römern besondere Verehrung. Die Legende berichtet auch von hohen Tributzahlungen: Als sich die Römer über die aufzubringenden Summen beschweren und sich darüber beklagen, dass die Gallier sie beim Abwiegen des abzuliefernden Goldes betrogen hätten, legt der Keltenführer Brennus zusätzlich sein Schwert in die Waagschale, das nun ebenfalls mit Gold aufgewogen werden muss. Dies erfolgt mit den Worten: Vae victis“!

Servianische Mauer:  Ihre Errichtung wird in der Antike auf den römischen König Servius Tullius (6. Jahrhundert v. Chr.) zurückgeführt. Die heute noch vorhandenen Überreste stammen jedoch erst aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., und zwar aus der Zeit nach dem Galliersturm. Offensichtlich ist die Mauer als Reaktion auf die Einnahme Roms durch die Kelten errichtet worden, um die Stadt vor weiteren Übergriffen zu schützen. Dass es davor eine ältere Mauer gegeben hat, ist wahrscheinlich. Von der Servianischen Mauer kann man heute noch einige Überreste sehen, etwa beim Bahnhof Roma Termini. Sie umgibt eine Fläche von etwa 3,5 km Länge und 1,5 km Breite. Mehrere von den sieben historischen Hügeln Roms gehören bereits dazu, so das Kapitol, der Palatin, der Aventin, der Quirinal und der Viminal.

Aurelianische Mauer:  Sie entsteht mehr als sechs Jahrhunderte später und hat ihren Name von Kaiser Aurelian (270–275), unter dem sie begonnen wird. Inzwischen ist Rom längst zu einer Millionenstadt geworden, welche über viele Länder rund um das Mittelmeer herrscht. Angriffe äußerer Feinde auf Italien oder gar auf Rom hat es seit Hannibal im dritten Jahrhundert v. Chr. nicht mehr gegeben. Im 2. Jahrhundert n. Chr. unter den Adoptivkaisern befindet sich das Imperium Romanum auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Die Grenzen sind im Großen und Ganzen gesichert, im Reichsinneren herrscht Frieden, die Wirtschaft floriert, relativ viele Menschen leben in einem gewissen Wohlstand. Dieser Zustand ändert sich im dritten Jahrhundert n. Chr. in der Zeit der Soldatenkaiser. Im Zuge der beginnenden Völkerwanderung werden die Reichsgrenzen jetzt unsicher. Erstmals seit Jahrhunderten muss jetzt sogar die Hauptstadt Rom mit Angriffen fremder Völker rechnen. In den Jahren nach 250 n.Chr. erscheinen mehrfach germanische Stämme auf italischem Boden, so etwa die Alemannen und die Goten. Bisher hat Rom diese Angriffe erfolgreich zurückschlagen können, bevor die Hauptstadt unmittelbar bedroht werden konnte; allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Germanen bis nach Rom gelangen. Die Errichtung der Aurelianischen Mauer stellt somit das Eingeständnis der Kaiser dar, dass selbst Rom, die Hauptstadt des Imperiums, mit einem Angriff germanischer Volksstämme rechnen muss.

Die Mauer ist 19 km lang, ursprünglich 6 m hoch und ca. 3,5 m tief. Der größte Teil ist aus Ziegelsteinen gemauert. Es gibt 18 größere Tore und 383 Wachtürme, jeweils in einem Abstand von ungefähr 30 m. Die Architekten beziehen viele bestehende Bauten in die Befestigungen mit ein, was ein deutliches Zeichen für die Eile des Bauvorhabens darstellt. Beispielsweise die Cestius-Pyramide, ein Grabmal oder Teile eines Aquädukts werden so Teil der Mauer. Die Stadtmauer stellt einen wirksamen Schutzwall jedoch nur gegen solche Angreifer dar, die militärtechnisch nicht auf dem Stand der damaligen Zeit sind. Deshalb wird die Mauer im 4. Jahrhundert n. Chr. erhöht und ausgebaut, bis sie schließlich fast 11 m hoch ist. Jetzt wird auch das Mausoleum des Kaisers Hadrian, die spätere Engelsburg, als Zitadelle in die Befestigungen integriert. Vielfach werden die Tore zu wahren Festungstürmen ausgebaut. Das Problem der aurelianischen Mauer ist und bleibt jedoch ihr Umfang: Errichtet in den Jahrzehnten um 300 n. Chr. für eine Millionenstadt, ist die Mauer bald viel zu lang, als die Bevölkerungszahl in den folgenden Jahrhunderten stark zurückgeht. Ab dem 7. Jahrhundert nimmt man eine Zahl von 20.000 Einwohnern an. Dadurch gibt es viel zu wenig Soldaten, um die ganzen 19 km der Mauer zu bemannen. Zwar stellt die Aurelianische Mauer einen wirksamen Schutzschild gegen unorganisierte Angreifer dar. Von stärkeren und besser organisierten Gegnern ist Rom jedoch im Laufe der Jahrhunderte mehrfach eingenommen und geplündert worden. Die Aurelianische Mauer ist somit niemals ein beinahe unüberwindbares Hindernis gewesen wie in Konstantinopel die Theodosianische Mauer.

Bedeutungsverlust der Stadt Rom:  In der Spätantike verliert Rom zunehmend an politischer Bedeutung, da die verschiedenen Kaiser andere Residenzen (darunter Ravenna, Konstantinopel, Mailand, Trier, Thessaloniki, Split) bevorzugen. Im 5. und 6. Jahrhundert kommt es zu Katastrophen, die das Ende der antiken Herrlichkeit der Stadt bedeuten: Auch die Aurelianische Mauer kann nicht verhindern, dass Rom während der Völkerwanderung 410 von den Westgoten und 455 von den Vandalen geplündert wird. Als das Weströmische Reich 476 n. Chr. durch einen Putsch des Germanenfürsten Odoaker zugrundegeht, findet dieses Ereignis nicht in Rom statt, sondern in Ravenna. Odoaker herrscht von Ravenna aus über Italien, ebenso wie nach ihm Theoderich, der 493 an der Spitze eines Gotenheeres Italien erobert, Odaker stürzt und ihn eigenhändig umbringt. Die Residenz seines Ostgotenreiches ist Ravenna, nicht Rom. In Ravenna befindet sich auch das berühmte Grabmal des Theoderich. Dieses Ostgotenreich ist für Italien bis um 530 eine ziemlich gute Zeit, die Goten übernehmen die antiken Lebensformen, die antike Kultur spielt immer noch eine wichtige Rolle.  Nach 530  -  Theoderich lebt nicht mehr  -  macht sich jedoch der bedeutende oströmische Kaiser Justinian daran, Italien für das Römische Reich zurückzuerobern und das Ostgotenreich zu zerstören. Dieser Krieg dauert an die 20 Jahre lang und führt in Italien zu fürchterlichen Verwüstungen. Rom gerät mehrmals in lang anhaltende Belagerungskämpfe. Dies führt zur Zerstörung fast aller römischen Wasserleitungen. Die römische Senatorenschicht, ein Erbe aus der Antike, wird beseitigt, das städtische Leben kommt zum Stillstand. Am Ende dieses Gotenkrieges stehen die völlig Rückeroberung Italiens durch Ostrom und der Untergang der Ostgoten in der Schlacht am Vesuv (552). Rom ist fortan eine Provinzstadt innerhalb des Oströmischen Reiches, es wird von Konstantinopel aus regiert. Es hat seine Sonderstellung und alle aus früheren Jahrhunderten stammenden Privilegien verloren. Seine Einwohnerzahl ist stark zurückgegangen. Innerhalb der 19 km langen Stadtmauer sind größere Gebiete unbewohnt. Es gibt landwirtschaftliche Flächen, auf denen die Schafe weiden. Zahlreiche Häuser und Paläste verfallen und werden zur Ruine. In späteren Jahrhunderten dienen sie oft als Steinbruch für neue Bauprojekte.

Jahr               Einwohner

330                1.000.000

410                   400.000

530                   100.000

650                     20.000

Die Phokassäule:  Dem Niedergang der einstigen Weltstadt zum Trotz, wird das letzte spätantike Bauwerk in Rom interessanterweise erst 608 n. Chr. errichtet. Phokas ist ein byzantinischer Kaiser, der dem Patriarchen von Konstantinopel die Vorrangstellung innerhalb der Kirche entzieht und sie dem Bischof von Rom überträgt. Außerdem schenkt er ihm das Pantheon und lässt es in eine christliche Kirche umwandeln, was eine entscheidende Maßnahme zur Erhaltung des Bauwerks darstellt. Zum Dank für diese Privilegien wird dem Kaiser Phokas auf dem römischen Forum eine Säule errichtet, auf der sich ganz oben die goldene Statue des Kaisers befindet. Die Säule steht immer noch (bzw. wieder), die goldene Kaiserstatue ist längst verschwunden. Wegen dieser kurzfristigen Bevorzugung Roms gegenüber Konstantinopel ist das Bild von Kaiser Phokas in der Ostkirche sehr negativ gezeichnet. Hier zeigt sich die allmählich aufkommende Konkurrenz zwischen der Kirche des Ostens und des Westens, die schließlich 1054 zum Schisma führt.


 

 

Frühmittelalter:

Die Langobarden:  Der Sieg Ostroms über die Ostgoten ist ein Pyrrhussieg. Nicht nur, dass ganze Landstriche von Italien verwüstet sind, ist der Gebietszuwachs auch nicht von langer Dauer. Bereits 568 kommen die germanischen Langobarden und erobern Oberitalien. Hier entsteht zwar kein Langobardenreich, aber eine Anzahl von Fürstentümern. Diese werden in den folgenden Jahrhunderten für Rom immer wieder zur Bedrohung. Nur einzelne Teile von Italien bleiben noch längere Zeit unter oströmischer Herrschaft. Mit dem Einfall der Langobarden beginnt eine weit mehr als 1000 Jahre dauernde Phase der Geschichte, in der Italien kein geeintes Territorium mehr darstellt, sondern in einige oder sogar viele Herrschaftsbereiche aufgesplittert ist. Erst seit 1870, als nach der Gründung des Königreichs Italien Rom dessen Hauptstadt wird, kann man wieder von einem geeinten Italien sprechen.

Rom als Papstresidenz:  Mit dem Bedeutungsverlust von Rom in der Spätantike hängt die Tatsache zusammen, dass die staatlichen Ordnungsfunktionen mehr und mehr vom Papsttum ausgeübt werden. Seit dem 4. Jahrhundert wächst der Grundbesitz der römischen Kirche in Italien durch Schenkungen zahlreicher Güter in Italien. Diese Patrimonium Petri (= Vermögen des Petrus) genannten Besitzungen machen den Bischof von Rom im 6. Jahrhundert zu einem Großgrundbesitzer in Italien. Unter Papst Gregor I. erhält das Patrimonium Petri um 600 n. Chr. eine straffe Zentralverwaltung und bekommt dadurch den Charakter eines Herrschaftsgebildes.

Entstehung des Kirchenstaates:  Dazu kommt es im 8. Jahrhundert, als das Patrimonium Petri in große Bedrängnis durch die Langobarden kommt und daraufhin das Frankenreich um Hilfe bittet. Dort übernimmt 751 der Karolinger Pippin die Königsherrschaft, nachdem er den letzten Merowingerkönig gestürzt hat. Diese Machtergreifung lässt sich Pippin vom Bischof von Rom bestätigen und hilft diesem im Gegenzug militärisch gegen die Langobarden. Diese Ereignisse sind als Pippinsche Schenkung in die Geschichte eingegangen: Papst Zacharias bestätigt die Königsherrschaft von Pippin im Frankenreich, er erhält dafür von diesem militärischen Schutz gegen die Langobarden. Außerdem bestätigt Pippin durch eine Schenkungsurkunde die Herrschaft des Papstes über große Teile von Mittelitalien. Diese Schenkung gilt als Grundlage des Kirchenstaates. Der genaue Text ist nicht bekannt und die Schenkungsurkunde nicht erhalten, sodass die genauen Umstände der Pippinschen Schenkung von Historikern kontrovers diskutiert werden. Das Gebiet des Kirchenstaates vergrößert sich in den folgenden Jahrhunderten noch und erreicht seine größte Ausdehnung unter Papst Julius II. Anfang 16. Jahrhundert.

Legitimierung der päpstlichen Herrschaft:  Der Anspruch des Bischofs von Rom, oberster Herrscher über die Christenheit zu sein, wird auf den Apostel Petrus zurückgeführt. Dieser wird in der frühen Kirche bald als Heiliger verehrt, dem von Christus innerhalb der Apostel eine Führungsrolle als Leiter, Lehrer und Richter über die Gesamtkirche eingeräumt worden sei. Außerdem gilt Petrus als erster Bischof von Rom. Als solcher soll er unter Kaiser Nero 64 n. Chr. in Rom hingerichtet und begraben worden sein, und zwar genau dort, wo sich heute die Peterskirche befindet. Dieses Grab ist in den Jahren um 1950 freigelegt worden. Ob es tatsächlich das Grab des Petrus ist, wie die katholische Kirche bis heute behauptet, haben zahlreiche Historiker immer wieder bezweifelt. Aber in der von tiefem Glauben erfüllten Welt des christlichen Mittelalters und teilweise weit darüber hinaus gibt es keinen Zweifel. Damit hängt wesentlich zusammen, dass Rom sich seit dem Hochmittelalter als Ziel von unzähligen Pilgerreisen etablieren kann. Die Gläubigen ziehen nach Rom, um an dem Ort zu beten, wo der Apostel Petrus begraben liegt. Außerdem gibt es in Rom unzählige weitere Reliquien, die eine wundertätige Wirkung besitzen und dem Pilger die Garantie geben, in den Himmel zu kommen. Das Ansehen Roms in der christlichen Welt wird dadurch beträchtlich gesteigert. Seit dem Jahr 1300 gibt ein ganz offiziell angeordnetes heiliges Jahr, das anfangs im Abstand von 100 Jahren stattfindet, bereits im 15. Jahrhundert hat man den Abstand dann auf 25 Jahre verringert. Die Rompilger erfahren im heiligen Jahr den vollkommenen Ablass ihrer Sünden, unter der Bedingung, dass sie in würdevoller Weise an den vorgeschriebenen Glaubensritualen teilnehmen. Dieser römische Pilgertourismus ist für die Stadt natürlich eine beträchtliche Einnahmequelle. Nummer eins unter den Pilgerzielen des Mittelalters ist allerdings nicht Rom, sondern Santiago de Compostela in Nordspanien.

Konstantinische Schenkung:  Seit dem 8. Jahrhundert erheben die Päpste den Anspruch auf eine unabhängige geistliche und weltliche Landesherrschaft. Dabei berufen sie sich auf eine Urkunde von Kaiser Konstantin aus dem frühen 4. Jahrhundert, in welcher dieser das gesamte Gebiet des Weströmischen Reiches dem Bischof von Rom überlässt, um sich selber in den Osten nach Byzanz zurückzuziehen. Diese Schenkung von Konstantin hat es tatsächlich nie gegeben. Die Schenkungsurkunde ist eine Fälschung aus dem 8. Jahrhundert. Dennoch bleibt bis herauf ins 19. Jahrhundert die Grundlage für den päpstlichen Herrschaftsanspruch in Italien, auch noch, als sie im 15. Jahrhundert als Fälschung entlarvt wird.

Kaiserkrönung von Karl dem Großen:  Knapp 50 Jahre später, zu Weihnachten 800, wird der Sohn von Pippin, Karl der Große, durch Papst Leo III. in Rom zum römischen Kaiser gekrönt. Diesen Schritt kann man als Gründung des Heiligen Römischen Reiches betrachten, das den Anspruch erhebt, in der Nachfolge des antiken römischen Reiches zu stehen. Diese Krönung bestätigt die besondere Schutzbeziehung zwischen dem Frankenreich und dem Kirchenstaat. Zugleich ist sie ein gegen das Byzantinische Reich gerichteter Schritt, da dessen Herrscher sich natürlich als einziger legitimer Kaiser des Römischen Reiches sieht. Die Kaiserkrönung bringt für die Stadt Rom ein wenig neuen Glanz, allerdings nur kurzfristig, da der fränkische Herrscher sich ja nicht auf Dauer in Italien aufhält. Zugleich befinden sich die Päpste in einer politischen Abhängigkeit vom Frankenreich. Und wenn das Heer des Frankenkönigs sich nicht in Italien aufhält  -  und das ist fast immer der Fall  -  dann ist Rom mit dem Kirchenstaat auf sich alleine gestellt und muss sehen, wie es sich gegen militärische Angriffe von Langobarden, Sarazenen oder Normannen zur Wehr setzt. So kommt es zwischen 843 und 849 zu drei Eroberungsversuchen durch muslimische Araber, diese können zwar abgewehrt werden, aber 846 wird die Stadthälfte auf dem rechten Tiberufer geplündert.

Der Zustand der römischen Kirche Ende 9. bis Anfang 11. Jahrhundert:  Es ist alles andere als eine Glanzzeit des Papsttums! Die Liste der Päpste ist umfangreich, viele sind nur ganz kurz im Amt, manchmal nur wenige Wochen. Das Pontifikat wird fast ausschließlich innerhalb des römischen Adels vergeben, Bildung und religiöse Eignung spielen keine Rolle. Dadurch kommt es zu zahlreichen Fehlbesetzungen, die das Ansehen des geistlichen Amtes schädigen. Gelegentlich taucht der Herrscher des Frankenreiches mit seinem Heer in Rom auf, greift in den Kirchenstaat ein, regelt die Dinge nach seinem Gutdünken und zieht wieder ab. Anschließend geht in Rom alles weiter wie gehabt. Unter den Päpsten finden sich Mörder und Leichenschänder, manche enden nach kurzer Amtszeit im Gefängnis und werden gefoltert und umgebracht. So wird etwa Papst Johannes XII. 955 im Alter von 16 Jahren zum Papst gewählt. Über ihn kann man in Wikipedia lesen: “Er war völlig ungebildet und beherrschte nur die Vulgärsprache. […] Johannes wird in den Quellen als eine der erbärmlichsten Figuren beschrieben, die je in der Geschichte Roms und der Kirche eine Rolle gespielt haben. Der zeitgenössische Geschichtsschreiber Bischof Liutprand von Cremona berichtete u. a. von Mord, Verstümmelungen, Ehebruch, Inzest, Simonie, Jagd- und Spielleidenschaft, Meineid und Gotteslästerungen. In seinem Laster kannte Johannes keine Grenzen. Er soll heilige Gefäße an Prostituierte verschenkt haben. Einmal ließ er angeblich sogar einen Diakon in einem Pferdestall weihen.“ Über das Ende von Papst Johannes XII. gibt es in den Quellen verschiedene Versionen. Nach der wohl bekanntesten wird er während des Geschlechtsaktes mit einer römischen Aristokratin von deren eifersüchtigem Ehemann überrascht und mit einem Hammer erschlagen.


 

 

Hochmittelalter

Das Heilige Römische Reich:  Bei Johannes XII. handelt es sich um jenen Papst, der 962 den deutschen König Otto I. zum römischen Kaiser krönt. Kaiser Otto I. sieht sich als Herr über die römische Kirche und über Mittel- und Oberitalien. Praktisch sind die Päpste vom 9. Jahrhundert bis ins 11. Jahrhundert hinein zeitweilig abhängig vom Frankenreich bzw., nach dessen Zerfall, vom Deutschen Reich. Dessen Herrscher übernehmen die Aufgabe bzw. den Anspruch, für den Papst und den Kirchenstaat zuständig zu sein. Die Kaiserkrönung von Otto I. 962 durch eben jenen dubiosen Papst Johannes XII. ist  -  nach Karl dem Großen  -  sozusagen die zweite Geburtsstunde des Sacrum Imperium Romanum, das diesmal eine große Kontinuität entwickelt. Obwohl von Anfang an eigentlich eine absurde Fehlkonstruktion, existiert das Reich über 840 Jahre lang, ehe es schließlich im Jahr 1806 für beendet erklärt wird. Zu diesem Zeitpunkt ist es allerdings schon seit mehreren Jahrhunderten ein Gebilde, das fast nur mehr auf der Landkarte existiert. In der Anfangsphase erheben die deutschen Könige noch den tatsächlichen Anspruch, nicht nur Schutzmacht des Papstes zu sein, sondern darüber hinaus über Nord- und Mittelitalien zu herrschen. Dort gibt es seit dem 11. Jahrhundert ein blühendes Städtewesen. Mailand, Florenz, Pisa und Siena sind nur ein paar von den allerbekanntesten Städtenamen. Diese Städte bringen es zu einem beträchtlichen Reichtum, an den noch heute zahlreiche großartige Kirchen und Paläste erinnern. Damit geht ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein der Stadtbürger einher, die sich weder dem Kaiser noch dem Papst unterordnen wollen. Als etwa der Stauferkaiser Friedrich Barbarossa im 12. Jahrhundert einen jahrelangen Krieg gegen jene italienischen Städte führt, die seine Oberherrschaft nicht anerkennen wollen, verliert er diesen Krieg zuletzt. Die Päpste ihrerseits versuchen seit der Mitte des 11. Jahrhunderts die Rollenverteilung zwischen Kirche und Reich umzudrehen und den deutschen König zum Untergebenen des Papstes zu machen.

Die römische Kirche auf dem Höhepunkt ihrer Macht:  Das im 10. Jahrhundert gegründete Kloster Cluny ist der Ausgangspunkt für eine umfassende Kloster- und Kirchenreform. Missstände sollen beseitigt und die Verweltlichung der Kirche zurückgedrängt werden. Man betont die Würde und Unabhängigkeit der Kirche. Beten, Frömmigkeit und Askese spielen eine zentrale Rolle. Der Einfluss weltlicher Fürsten, etwa bei der Einsetzung von Bischöfen, soll abgeschafft werden. Mitte 11. Jahrhundert erreichen diese Reformideen Rom und führen dort zu jener Auseinandersetzung, die unter dem Titel Investiturstreit in die Geschichte des Mittelalters eingegangen ist. Papst Gregor VII. will nicht nur die Kirche von der weltlichen Vorherrschaft befreien, sondern strebt darüber hinaus die Herrschaft der Kirche über die weltlichen Fürsten an, also auch über den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Als er dem deutschen König Heinrich IV. aus der Dynastie der Salier verbietet, in seinem Reich weiterhin Bischöfe einzusetzen, wie dies bis dahin üblich ist, weigert sich dieser zu gehorchen und wird daraufhin vom Papst aus der Kirche ausgeschlossen. Diese Maßnahme hat bei den tief gläubigen Christen des 11. Jahrhunderts eine ungeheure Wirkung! Der deutsche König und Herrscher über das Heilige Römische Reich aus der Gemeinschaft der Kirche ausgestoßen  -  ein ungeheurer Skandal !  Heinrich muss als Büßer nach Italien ziehen und  -  im Winter barfuß im Freien betend  -  den Papst um Wiederaufnahme in die Kirche bitten. Dieser Bußgang von Canossa 1077 ist ein Akt der Unterwerfung, der den damaligen Menschen zeigt, wer in der christlichen Welt der oberste Herrscher ist.

Weltherrschaftsanspruch der römischen Kirche:  Papst Gregor VII. sieht sich nicht nur als oberster Priester der katholischen Kirche, sondern als Universalherrscher sowohl in kirchlichen als auch in weltlichen Belangen. 1075  -  zwei Jahre vor dem Bußgang von Canossa  -  formuliert er seinen Machtspruch im sogenannten Dictatus Papae. Darin heißt es unter anderem:

·        Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen.

·        Dass es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen.

·        Dass er von niemandem gerichtet werden darf.

·        Dass die römische Kirche niemals in Irrtum verfallen ist und nach dem Zeugnis der Schrift niemals irren wird.

Es ist für Papst Gregor VII. allerdings wesentlich leichter, diesen Machtanspruch zu formulieren als ihn durchzusetzen. Als er ein paar Jahre später Heinrich IV. abermals bannt, ernennt dieser einen Gegenpapst, zieht mit seinem Heer nach Rom und nimmt die Stadt ein. Gregor VII. ist wochenlang handlungsunfähig in der Engelsburg eingeschlossen, bis er schließlich von einem aus Süditalien zu Hilfe gerufenen Normannenheer aus seiner misslichen Lage befreit wird. Die Normannen plündern bei dieser Gelegenheit Rom so verheerend, das Gregor hinterher mit ihnen die Stadt verlassen muss, um sich dem Zorn der Römer zu entziehen. Gregor stirbt ein Jahr später in Süditalien, einsam und verlassen, aber immer noch felsenfest von seinem Standpunkt überzeugt.

Nach Gregor VII. haben in den folgenden gut 200 Jahren auch andere Päpste versucht, den weltlichen Machtanspruch der römischen Kirche durchzusetzen. Zeitweilig mit einigem Erfolg, wie etwa um 1200 Papst Innozenz III. oder 100 Jahre später Papst Bonifaz VIII. Dies bedeutet jedoch zugleich, dass die Kirche immer wieder in politische und militärische Auseinandersetzungen verwickelt ist, was ihr auf Dauer nicht gut bekommt und ihr Ansehen verringert.

Macht und Reichtum der Kirche:  Der ungeheure Machtanspruch der römischen Kirche zeigt sich im Hochmittelalter auf ganz besondere Weise auch in den Kreuzzügen, zu denen erstmals 1095 Papst Urban II. die Christen aufruft. Es handelt sich dabei um heilige Kriege, welche das Ziel verfolgen, das heilige Land Palästina, in dem Jesus gewirkt hat, den Moslems zu entreißen und unter christliche Herrschaft zu bringen. Der Aufwand ist enorm, das Resultat ist  -  vom ersten Kreuzzug abgesehen  -  ein Desaster. Das gesteigerte Machtbewusstsein der Kirche, verbunden mit großem Reichtum, und das in einer Welt, in der die Menschen tiefgläubige Christen sind, zeigt sich auch in der Kunst des Mittelalters. Die großen romanischen Dome aus dem 11. und 12. Jahrhundert sind sicherlich Dokumente eines tiefreligiösen Glaubens. Aber sie sind zugleich auch Zeugnisse einer reichen und machtbewussten Kirche, deren Glaubensangehörige von einem Zweifel an Gott um Jahrhunderte entfernt sind. Kritik entfaltet sich allerdings seit dem 13. Jahrhundert da und dort am gewaltigen Reichtum und am luxuriösen Lebensstil der Kirchenfürsten und führt zur Entstehung von religiösen Bewegungen, welche sich an der Armut von Jesus orientieren und diese zum Vorbild für wahre Christen erklären. Der bekannteste Bettelorden, der in diesem Zusammenhang entsteht, sind die Franziskaner. Nicht alle christlichen Armutsbewegungen haben es jedoch, so wie der Franziskanerorden, geschafft, als integrierter Bestandteil der katholischen Kirche anerkannt zu werden. So manche werden im Hoch- und Spätmittelalter zu Ketzern erklärt und von der römischen Kirche mit aller Brutalität verfolgt, wie etwa die Albigenser in Südfrankreich.


 

 

Spätmittelalter:

Avignon als Papstresidenz (1309-1378):  In den Jahren um 1300 gerät das Papsttum stark unter den Einfluss des französischen Königs.  Papst Clemens V. ist Franzose; 1309 verlegt er seinen nach Avignon, einerseits auf Betreiben des französischen Königs, andererseits um sich den Machtkämpfen mit den mächtigen Adelsfamilien in Rom zu entziehen. Als avignonesisches Papsttum  -  bisweilen auch als Babylonische Gefangenschaft der Kirche oder als Avignonesisches Exil  -  wird die Zeit bezeichnet, in der die Päpste ihren Sitz in der französischen Stadt Avignon haben. Zu dieser Zeit residieren ab 1309 insgesamt sieben von der gesamten Kirche anerkannte Päpste in Avignon. Diese Jahrzehnte bedeuten für die Kirche eine Rufschädigung. Es kommt zu einer starken Verweltlichung, Avignon gilt als Zentrum des Lasters, die Päpste geraten in Verruf, da sie sich mehr für den eigenen Lebensgenuss interessieren als für das religiöse Leben der christlichen Bevölkerung.

Schisma  1378-1417:  Im Jahr 1378 scheitert der Versuch, Rom wiederum zum Sitz des Papstes zu machen. Ein in Rom neu gewählter Papst wird in Frankreich nicht anerkannt, und in der Folge gibt es zwei Päpste, einen in Avignon und einen in Rom. Mehrere Anläufe zur Beilegung dieser Situation scheitern, so dass der Ruf nach einem Konzil immer lauter wird. Dann jedoch verschlimmert das Konzil von Pisa 1409 noch die Situation: Die beiden für abgesetzt erklärten Päpste erkennen sowohl den neugewählten Papst als auch ihre eigene Absetzung nicht an, deshalb gibt es ein paar Jahre lang drei Päpste, von denen sich jeder als rechtmäßiges Kirchenoberhaupt sieht. Für gläubige Christenheit ist dieser Zustand der Kirchenführung nicht nur verwirrend, sondern ein Skandal. Wem soll man glauben, wenn sich die zwei und dann sogar drei Päpste gegenseitig aus der Kirche ausschließen? Zur Lösung des Problems kommt es erst auf dem Konzil von Konstanz (1414 – 1417), bei dem Kaiser Sigismund durchsetzt, dass Rom wiederum der Sitz des einzigen allgemein anerkannten Papstes sein soll.

Rom während des Avignonesischen Exils und während des Schismas:  Der Kirchenstaat beginnt sich aufzulösen, Adel und Städte werden selbständig, der Verwaltungsapparat zerfällt. Rom verliert stark an Bedeutung. Die Bevölkerungszahl geht auf ca. 20.000 zurück, viele Kirchen, Paläste und Plätze veröden. Florenz hat zur selben Zeit etwa 170.000 Einwohner. Zwischen einzelnen Adelsfamilien wie den Colonna und den Orsini kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen. 1347 kann Cola di Rienzi mit Unterstützung der unteren Volksschichten den Adel vorübergehend ausschalten und als Volkstribun die Macht über Rom ausüben. Das ist jedoch nur ein Zwischenspiel. Zuletzt wird Cola di Rienzi bei einer Empörung des Volkes umgebracht. Nach der Beendigung des Schismas und der endgültigen Rückkehr der Päpste nach Rom kommt es allmählich zur Erneuerung und Festigung des Kirchenstaates, was mit der Entmachtung des Adels einhergeht.


 

 

Rom in der Renaissance:  

Aufbruchsstimmung:  Nach der Rückkehr der Päpste nach Rom kommt es ab der Mitte des 15. Jahrhunderts zu einer gewissen Aufbruchsstimmung. Der Kirchenstaat ist wieder gefestigt, die blutigen Adelskämpfe sind beendet, die Renaissance kommt in die Stadt, diese erfährt nach längerer Zeit wieder einen Aufschwung, der sich in der Errichtung zahlreicher prächtiger Bauwerke niederschlägt. Der Kirchenstaat mit dem Papst an der Spitze gehört zu den wichtigen Mächten Italiens, neben dem Herzogtum Mailand, den Republiken Venedig und Florenz sowie dem Königreich Neapel. Diese und noch ein paar kleinere Staaten führen immer wieder und in wechselnden Bündnissen Krieg gegeneinander und versuchen die Macht und den Reichtum der herrschenden Familien zu vergrößern. In diese Machtpolitik sind auch die Renaissancepäpste in hohem Maße verwickelt.

Die Renaissancepäpste:  Das ist ein schillernder Begriff, der ganz unterschiedliche Assoziationen auslöst. Einerseits haben wir es mit außerordentlich machtbewussten Herrschern zu tun, die damit beschäftigt sind, die Macht und den Reichtum ihrer eigenen Familien durch Kriege und Intrigen zu vergrößern. Moral und christlicher Glauben spielen dabei meist keine Rolle. Die römischen Päpste verhalten sich insofern nicht anders als die weltlichen Fürsten. Auf der anderen Seite geht vom Papsttum der Renaissance ein ungeheurer Glanz aus. Die Päpste sind Förderer und Auftraggeber der Kunst, einige von den großartigsten Malern, Bildhauern und Architekten bekommen von der römischen Kirche bedeutende Aufträge. Man denke etwa an Raffael, der im Vatikan seine als Stanzen bekannten Fresken malt, oder an Michelangelo, der ebenfalls im Vatikan die Sixtinische Kapelle ausmalt und später die Kuppel des Petersdomes entwirft. Es handelt sich um Höhepunkte der Kunstgeschichte, die aber zugleich einen ungeheuren Luxus darstellen, der mit christlichen Glaubensvorstellungen kaum etwas zu tun hat. Das Papsttum der Renaissance  -  das ist also auch ein Synonym für ein Leben im Reichtum und für die Zuschaustellung von Macht und Einfluss. Die Verweltlichung der Kirche, die schon bei den Päpsten in Avignon Gegenstand der Kritik gewesen ist, findet hier nicht nur ihre Fortsetzung, sondern erreicht mit glanzvollen Festen und ungeheurem Prunk einen neuen Höhepunkt. Dazu kommt noch, dass es sich bei mehreren Renaissancepäpsten um moralisch sehr fragwürdige Gestalten handelt.

·        So etwa ist Papst Sixtus IV. (1471 – 1484) für seinen Nepotismus bekannt. Er versorgt zahlreiche Verwandte mit kirchlichen Ämtern, die ihnen ein riesiges Einkommen verschaffen.

·        Papst Alexander VI. Borgia (1492 – 1503) gilt als besonders verschlagene und skrupellose Gestalt der Kirchengeschichte. Verrufen sind einerseits sein lasterhaftes Privatleben, andererseits seine rücksichtslose Machtpolitik. Im Bündnis mit seinem moralisch ebenso verkommenen Sohn Cesare Borgia als Heerführer geht er daran, Besitztümer des Kirchenstaates zum Eigentum der Familie Borgia zu machen. Er führt Kriege gegen italienische Städte und schreckt vor keiner Mordtat zurück. Am Ende fällt er höchstwahrscheinlich einem Giftmordanschlag durch einen Kardinal zum Opfer.

·        Papst Julius II. (1503 – 1513) führt eine ganze Reihe von Kriegen, bei denen er selber das Heer des Kirchenstaates anführt. Es gelingt ihm, verlorene Gebiete zurückzugewinnen und den Kirchenstaat gegen die Eroberungspolitik der Republik Venedig zu verteidigen. Zugleich gilt Julius II. als eine der größten Mäzenatengestalten der Kulturgeschichte. Unter anderem beginnt er mit dem Neubau des Petersdoms in Rom und beauftragt Michelangelo, die Decke der Sixtinischen Kapelle auszumalen.

·        Papst Leo X. aus dem Hause Medici (1513 – 1521) wird der Satz zugeschrieben:  “Lass uns das Papsttum genießen, da Gott es uns verliehen hat.“ Und auch wenn dieser Satz nicht hundertprozentig verbürgt ist, so hat Leo X. doch eindeutig danach gelebt. Er ist von ungeheurer Vergnügungssucht, nie reicht dem maßlosen Verschwender das Geld. Sein Hofstaat umfasst 683 Menschen, vom Erzbischof bis zum Elefantenwärter, vom Musiker und Dichter bis zum Hofnarren. Leo X. geht wochenlang auf Jagden, an denen bis zu 2000 Reiter teilnehmen, im Vatikan finden glanzvolle Feste, aber auch Theateraufführungen und Konzerte statt. Unter Papst Leo X. kommt es 1517 in Wittenberg zum sogenannten Thesenanschlag durch Martin Luther. Die Tragweite und den Ernst dieses Ereignisses zu ermessen, dazu ist der Papst völlig unfähig. Der von Leo X. vier Jahre später verhängte Ausschluss Luthers aus der katholischen Kirche kommt zu spät und ist das falsche Mittel, um die Spaltung der lateinischen Kirche zu verhindern

Bautätigkeit in der Renaissance:  Die Jahrzehnte von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts sind für Rom eine Epoche, in der großartige neue Gebäude errichtet oder zumindest begonnen werden, teilweise unter Einbeziehung des antiken Erbes. So wird etwa der Kapitolshügel völlig neu gestaltet. Es entstehen drei Paläste und dazwischen der Kapitolsplatz mit der antiken Reiterstatue von Kaiser Marc Aurel, nach Plänen von Michelangelo. Es werden auch sonst bedeutende Paläste und Kirchen errichtet, welche zu den Hauptwerken der Renaissancearchitektur zählen, so etwa der Palazzo Venezia direkt gegenüber dem Denkmal für König Viktor Emanuel (15. Jahrhundert) oder der Palazzo Farnese (16. Jahrhundert), an dessen Planung ebenfalls Michelangelo beteiligt ist. Das berühmteste Bauwerk aus der Renaissance ist natürlich der Petersdom, dessen Grundstein 1506 gelegt wird. Erster Bauherr ist Papst Julius II. Der Petersdom ist die größte Kirche der Christenheit, an seiner Errichtung und an der Ausgestaltung der Fassade und des Platzes sind mehrere Architekten beteiligt, unter anderem Bramante, Michelangelo und Bernini. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beginnt etwas, das man heute als Stadtplanung bezeichnen würde:  Rom wird als Hauptstadt des katholischen Christentums neu konzipiert. Man hat dabei den Ehrgeiz, selbst das antike Rom an Glanz zu übertreffen. Dieses Bestreben wird im 17. und 18. Jahrhundert fortgesetzt, führt also hinein in die Epoche des Barock, welche bis heute das Bild der Stadt in hohem Maße prägt.

Sacco di Roma (1527):  Seit Ende 15. Jahrhundert ist Italien zunehmend Schauplatz der europäischen Großmachtpolitik. Vor allem die französischen Könige und die Habsburger führen mehrere Kriege gegeneinander, bei denen sie um die Herrschaft über die reiche italienische Staatenwelt streiten. In diesem Zusammenhang kommt es im Mai 1527 zum sogenannten Sacco di Roma, einem der schrecklichsten Ereignisse in der römischen Geschichte. Im Vorfeld gerät das in Italien stationierte Söldnerheer von Kaiser Karl V. völlig außer Kontrolle. Die Soldaten, welche seit Wochen keinen Sold bekommen haben und selbst für ihre Ernährung sorgen müssen, marschieren unkontrolliert, ohne auf die Befehle ihrer Heerführer zu achten, gegen Rom. Die Stadt ist auf den Angriff des 24.000 Mann starken Heeres, bestehend aus deutschen Landsknechten und spanischen Söldnern, nicht vorbereitet. Rom wird von zwei Seiten gestürmt. Die Eroberer rauben, vergewaltigen, foltern und töten wahllos. Die Zahl der Opfer wird auf mehr als 30.000 geschätzt. Dies entspricht über der Hälfte der damaligen Bevölkerung Roms. Zeitgenössische Historiker schreiben dazu später, „dass man beim Gehen auf den Straßen vor lauter Leichen das Pflaster nicht mehr sah“. Es werden Kirchen, Paläste und Krankenhäuser geplündert und in Brand gesetzt. Zwei Drittel aller Häuser von Rom werden zerstört und das Land 50 Kilometer im Umkreis der Stadt verwüstet. Adelige und Kleriker werden gezwungen, enorme Lösegeldsummen zu zahlen, um sich freizukaufen. Unzählige Kunstschätze, darunter die Goldschmiedearbeiten der Kirchen, werden geraubt. Papst Clemens VII. flieht mit 42 Schweizergardisten in die Engelsburg, wo sie von den Angreifern belagert werden. Die Belagerer der Engelsburg rufen dem in der Engelsburg festsitzenden Papst immer wieder zu: „Es lebe Papst Luther!“ Nach mehreren Wochen muss der Papst kapitulieren und ist anschließend noch über ein halbes Jahr Gefangener in der Engelsburg, während gleichzeitig in Rom Hungersnot und Pest wüten. Als der Papst schließlich freigelassen wird, flieht er nach Orvieto. Er muss auf mehrere Städte seines Territoriums verzichten und ein riesiges Lösegeld bezahlen. Kaiser Karl V. distanziert sich zwar im Nachhinein von der Plünderung Roms. Tatsächlich nützt sie ihm jedoch in politischer Hinsicht. 1530 wird er von Papst Clemens VII. in Bologna zum Kaiser gekrönt. - Mit dem Sacco di Roma geht das goldene Zeitalter der Hochrenaissance zu Ende. Terror und Demütigung durch Kaiser Karl V. hinterlassen in Rom eine Weltuntergangsstimmung.

Die Reformation:   Die kirchenpolitischen Ereignisse in Deutschland und bald auch in anderen Ländern Europas werden in Rom sehr zögerlich zur Kenntnis genommen. Auf die höchst begründete Kritik an der römischen Kirche reagiert man hier  -  abgesehen vom Kirchenbann gegen Martin Luther  -  lange Zeit gar nicht und sieht beinahe untätig zu, als sich große Gebiete in Europa von der römischen Kirche trennen. Erst gegen Mitte des 16. Jahrhunderts kommt es zu jenen ernsthaften Gegenmaßnahmen, die unter dem Namen Gegenreformation in die Geschichte eingegangen sind. Dazu gehört einerseits das langjährige Konzil von Trient, bei dem die Glaubenslehre der katholischen Kirche dogmatisch neu festgelegt und zugleich von der protestantischen Kirche abgegrenzt wird. Dazu gehört andererseits die Gründung des Jesuitenordens durch Ignazius von Loyola. Dieser Orden ist in den folgenden gut zwei Jahrhunderten damit beschäftigt, verlorengegangene Gebiete für die katholische Kirche zurückzugewinnen. Die Erfolge halten sich in Grenzen. Die Spaltung der lateinischen Kirche in Europa ist endgültig. Das geistige Klima ist auf lange Zeit vergiftet, gegen liberale Glaubensauffassungen, die von der offiziellen Lehre der römischen Kirche abweichen, wird von den Päpsten hart durchgegriffen. Dies wird an zwei berühmten Fällen besonders deutlich:

·        Giordano Bruno (1548 -1600):  Er ist ein italienischer Priester, Dichter, Philosoph und Astronom. In seinen Schriften und Vorlesungen an verschiedenen europäischen Universitäten postuliert er die Unendlichkeit des Weltraums und die ewige Dauer des Universums. Damit stellte er einerseits die Schöpfung als Beginn der Welt in Frage, andererseits das Jüngste Gericht als deren Ende. Jesus Christus hält er nicht für den Sohn Gottes. Das größte Opfer seiner Polemik ist indes der griechische Philosoph Aristoteles. 1593 wird Giordano Bruno nach Rom gebracht und in der Engelsburg gefangengesetzt. Der Prozess gegen ihn wird erst sieben Jahre später mit einem Urteilspruch beendet. Giordano Bruno wird von der römischen Inquisition der Ketzerei und Magie für schuldig befunden, aus der Kirche ausgestoßen und dem weltlichen Gericht des Gouverneurs in Rom überstellt. Dieser lässt ihn zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilen. Die Vollstreckung des Urteils findet 1600 auf dem Campo de Fiori statt. Außerdem werden alle seine Schriften verboten, seine Werke müssen öffentlich zerrissen und verbrannt werden. Seine Bücher werden von der Kirche auf den Index der verbotenen Schriften gesetzt, wo sie bis zu dessen Abschaffung 1966 im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils bleiben. Im Jahr 2000 erklären schließlich der päpstliche Kulturrat und eine theologische Kommission die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht.

·        Galileo Galilei:  Mit seinem Namen ist der wohl berühmteste Konflikt zwischen der katholischen Kirche und der Aufklärung verbunden. Galilei ist ein italienischer Philosoph, Mathematiker, Physiker und Astronom, der bahnbrechende Entdeckungen auf mehreren Gebieten der Naturwissenschaften gemacht hat. Wegen seiner Überzeugung, dass die Planeten um die Sonne und nicht um die Erde kreisen, wird er 1633 von der römischen Inquisition verhört und bekennt schließlich unter Druck, geirrt zu haben. Nachdem er seinen Fehlern abgeschworen, sie verflucht und verabscheut hat, wird er zunächst zu lebenslänglicher Kerkerhaft verurteilt. Damit ist er immerhin der Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen entgangen. Die Kerkerhaft wird schon nach wenigen Wochen in lebenslänglichen Hausarrest umgewandelt. Er darf in seine Villa in der Toskana zurückkehren, bleibt jedoch unter Hausarrest, verbunden mit dem Verbot jeglicher Lehrtätigkeit. Gemäß dem Urteil hat er über drei Jahre lang wöchentlich die sieben Bußpsalmen zu beten. Diese Verpflichtung übernimmt seine Tochter. Zudem werden seine sozialen Kontakte stark eingeschränkt. Immerhin ist es ihm gestattet, mit seinen weniger kontroversen Forschungen fortzufahren und seine Töchter im Kloster zu besuchen. Sämtliche Veröffentlichungen sind ihm verboten, jedoch führt er einen ausgedehnten Briefwechsel mit Freunden und Gelehrten im In- und Ausland und kann später zeitweilig Besucher empfangen, darunter Thomas Hobbes und John Milton. Er stirbt 1642. Ein feierliches Begräbnis in einem prunkvollen Grab wird von der Kirche verhindert. Dennoch befindet sich heute sein Grabmal in der Kirche Santa Croce in Florenz.


 

 

Zeitalter des Barock:

Politische Bedeutung von Rom:  Die Päpste des 17. und 18. Jahrhunderts sind die absolutistischen Herren des Kirchenstaates. In politischer Hinsicht führt der Kirchenstaat jedoch ein eher unbedeutendes Dasein. Es gibt keine Kaiserkrönungen mehr in Rom, die ehemaligen Ambitionen der Päpste, die gesamte christliche Welt zu beherrschen oder zumindest in Italien machtpolitisch bestimmend zu sein, sind weitgehend aufgegeben. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert stellen alteingesessene Adelsfamilien die Prälaten, Kardinäle und Päpste in Rom und statten die Stadt mit Prunkpalästen und Kirchen aus, bis die Stadt schließlich durch die Französische Revolution aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird.

Stadterneuerung und Stadtplanung:  Bereits im 16. Jahrhundert, also noch in der Renaissance, wird die Idee zu einer umfassenden Stadtsanierung geboren. Das hat damit zu tun, dass der Zustand vieler Bauwerke miserabel ist. Zahlreiche Kirchen sind schwer beschädigt, die Straßen und die Wasserversorgung lassen zu wünschen übrig und die antiken Bauwerke dienen schon seit langem vor allem als Steinbrüche.

"Was einst die Barbaren nicht getan haben, das haben jetzt die Barberini getan." Dieser Spottvers ist gemünzt auf Papst Urban VIII. (Papst seit 1623) aus der römischen Adelsfamilie der Barberini. Dieser hat die Vorhalle des Pantheons ihrer bronzenen Kassettendecke beraubt, um daraus das Tabernakel über dem Hauptaltar der Peterskirche und achtzig Kanonen zur Aufstellung auf der Engelsburg gießen zu lassen.

Die Päpste fassen den kühnen Plan, Rom als Zentrum der katholischen Welt so prachtvoll wieder aufzubauen, dass es sogar das antike Rom übertreffen soll. In diesem Zusammenhang steht natürlich der Neubau des Petersdoms seit dem Jahr 1506. Die Realisierung der meisten Projekte setzt jedoch konkret erst ab Ende des 16. Jahrhunderts ein und wird im 17. Jahrhundert und darüber hinaus vollendet. Dazu gehört etwa, dass die antiken Obelisken wieder aufgestellt und mit einem Kreuz bekrönt werden. Ferner wird ein neues Straßennetz geschaffen, das die einzelnen Stadtteile besser miteinander verbindet. Schließlich lässt man einen neuen Aquädukt erbauen, welcher zahlreiche öffentliche Brunnen speisen soll, die zum typischen Bild des barocken Rom beitragen. Durch diese Maßnahmen entsteht allmählich der Prototyp einer barocken Hauptstadt. Von der Kunstepoche des Barock wird die Stadt Rom bis heute in ganz besonderem Maße geprägt. Zahlreiche Barockkirchen mit ihren typischen Kuppeln bestimmen das Stadtbild. Dazu kommen Paläste, Parkanlagen und Brunnen. Man denke etwa an die Spanische Treppe, an die Piazza Navona, an den Trevi-Brunnen oder an den Platz vor dem Petersdom. Zwei überragende Baumeister, die sich allerdings als Konkurrenten regelrecht hassen, hinterlassen im Rom des 17. Jahrhunderts besonders viele Spuren:  Bernini und Borromini. Ihnen und zahlreichen anderen ist es zu verdanken, dass Rom im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche ausländische Künstler anzieht.

Gegenreformation und Barock (17.-18. Jahrhundert):  Nachdem durch die Reformation und durch die Glaubenskriege des 16. Jahrhunderts die Einheit der lateinischen Kirche verloren gegangen ist, stellt Rom nur mehr das Zentrum der römisch-katholischen Kirche dar. Von den anderen christlich-reformierten Kirchen grenzt man sich ab und bekämpft sie. Dabei spielen die Architektur und die Kunst eine ganz wesentliche Rolle. Der römische Barock wird zum Propaganda-Instrument der Gegenreformation über die ernste Strenge des Protestantismus. Gefördert vom mächtigen Jesuitenorden, repräsentiert diese Kunst den Triumpf und die Verherrlichung der katholischen Kirche. Die Künstler, welche an der Realisierung dieses Vorgangs beteiligt sind, schaffen keine Kunstwerke zum Selbstzweck, sondern zum Ruhme des katholischen Gottes auf Erden.


 

 

Von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg:

Der Kirchenstaat als Gegner der Revolution:  Als 1789 in Frankreich die Revolution ausbricht, steht der Kirchenstaat klar auf der Seite des Absolutismus. Die Verfassung von 1791, durch welche Frankreich eine konstitutionelle Monarchie wird, in der es zwar weiterhin einen König geben soll, aber eben mit stark eingeschränkter Macht, wird von Papst Pius VI. für ungültig erklärt, und alle, die in diesem neuen Staatswesen positiv mitwirken, werden mit dem Kirchenbann bedroht. Dies verhindert nicht, dass Ludwig XVI. im folgenden Jahr 1792 abgesetzt, gefangengenommen und zu Tode verurteilt wird. Die Revolution erweist sich hier als hochgradig antiklerikal, was einerseits mit der engen Bindung zwischen der französischen Kirche und dem Königshaus zu tun hat, andererseits mit der finanziellen Notlage des Staates, der durch Enteignung und Verkauf von Kirchengütern seine Finanzlage zu verbessern sucht.

Napoleon:  Seit 1792 befindet sich das revolutionäre Frankreich im Krieg mit mehreren und in der Folge immer wieder wechselnden europäischen Staaten. Im Zuge dieser Koalitionskriege besetzen 1798 französische Truppen die Stadt Rom, lösen den Kirchenstaat auf und proklamieren die Römische Republik. Papst Pius VI. wird nach Frankreich entführt, und auch sein Nachfolger Pius VII. wird zum Spielball der napoleonischen Machtpolitik. Er muss in einem Konkordat mit Frankreich offiziell anerkennen, dass die katholische Kirche in Frankreich nicht mehr Staatskirche ist. Vergeblich versucht er, Napoleon zur Wiederherstellung des Kirchenstaates zu bewegen. Als besondere Demütigung muss er Napoleon 1804 zum Kaiser krönen. Als sich der Streit zwischen Kaiser und Papst weiter zuspitzt, annektiert Napoleon den Kirchenstaat und macht ihn offiziell zu einem Teil von Frankreich, der Papst exkommuniziert Napoleon und wird daraufhin von diesem gefangengesetzt. 1814 wird Pius von den Alliierten befreit und erhält 1815 durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses den Kirchenstaat zurück. Auf diese Weise kehrt der Katholizismus auf die diplomatische Ebene des Völkerrechts zurück. Durch sein diplomatisches Geschick und seine Anpassungsfähigkeit sorgt Pius VII. für die Wiedererstarkung des Papsttums als Zentrum der katholischen Kirche. Diese Kirche steht in den folgenden Jahrzehnten auf der Seite jener absolutistischen Fürsten, welche die Ideen der Aufklärung bekämpfen und Demokratie und Menschenrechte für etwas Verwerfliches halten.

Die italienische Einigung:  [Der Begriff Risorgimento, italienisch für Wiedererstehung, meint als Epoche der italienischen Geschichte die Zeit vom Wiener Kongress von 1814/15  bis 1870, als Rom zur Hauptstadt Italiens wird.]  Seit der Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. ist Italien nicht mehr in einem einzigen Staat vereint. Das gilt auch nach der Neuordnung durch den Wiener Kongress 1815 immer noch. Die französische Fremdherrschaft während der Napoleonischen Epoche hat jedoch in Italien einen starken Nationalismus hervorgebracht, der danach strebt, die bestehenden Einzelstaaten zu vereinigen und die Herrschaft der Bourbonen im Süden und der Habsburger im Norden zu beenden. Eine Veränderung der politischen Verhältnisse in Europa ist in der Metternich-Zeit nirgends vorgesehen, es soll alles für immer so bleiben, wie es 1815 geordnet worden ist. Die italienischen Nationalisten gelten deshalb als Staatsfeinde, sie bewegen sich politisch im Untergrund und werden entsprechend verfolgt. Zu ersten Versuchen, die bestehende Situation zu überwinden und eine Einigung Italiens in die Wege zu leiten, kommt es bei der Revolution 1848/49, sie bleiben aber erfolglos. So wird 1848 in der Lombardei ein Aufstand gegen die Fremdherrschaft der Habsburger militärisch niedergeschlagen. In Rom gibt es 1849 eine Erhebung gegen die weltliche Herrschaft des Papstes. Es wird eine Römische Republik ausgerufen, die aber schon nach wenigen Monaten zusammenbricht.

Solferino und die Folgen:  Die tatsächliche Einigung Italiens geht dann nicht von der Bevölkerung aus, sondern wird gewissermaßen von oben organisiert. Piemont-Sardinien, ein Fürstenstaat im Nordwesten von Italien mit der Hauptstadt Turin, wird zum Ausgangsland der Bewegung. An der Spitze stehen zwei Männer: König Viktor Emanuel II. und sein Ministerpräsident Graf Cavour. Sie schließen 1859 ein Bündnis mit Frankreich unter Kaiser Napoleon III., welches sich gegen Österreich richtet. In der Schlacht bei Solferino wird die österreichische Armee vernichtend geschlagen. Österreich muss die Lombardei an Piemont-Sardinien abtreten. Dieses Ereignis löst bei der italienischen Bevölkerung eine nationale Begeisterung aus. In mehreren italienischen Fürstenstaaten kommt es zu erfolgreichen Aufständen gegen die jeweilige Herrschaft, und in der Folge schließen sich 1860 Parma-Piacenza, die Toskana, Modena und ein Teil des Kirchenstaats Sardinien-Piemont an. Dieser Schritt wird durch Volksabstimmungen in den betreffenden Gebieten mit überwältigender Mehrheit bestätigt.

Gründung des Staates Italien:  Eine wichtige Rolle spielen die Freiwilligenverbände unter Giuseppe Garibaldi, welche durch den Zug der Tausend 1860 das Königreich Neapel-Sizilien unter ihre Kontrolle bringen. Der Monarch ergreift die Flucht, und Garibaldi macht sich daran, vom Süden aus gegen den Kirchenstaat vorzugehen. Das ist jedoch nicht im Sinne von Cavour. Dieser sendet deshalb Heeresverbände in den Süden, um zu verhindern, dass das Risorgimento eine republikanische Stoßrichtung erhält und durch Garibaldi gewissermaßen eine italienische Einigung von unten erfolgt. Die Truppen von Sardinien-Piemont besetzen weitere Teile des Kirchenstaates, dieser bleibt aber in verkleinerter Form noch erhalten und steht unter dem militärischen Schutz von Frankreich. Am 17. März 1861 wird Viktor Emanuel II. zum König von Italien ausgerufen. Es ist die offizielle Gründung des Nationalstaates Italien. Zur Hauptstadt wird für wenige Jahre Florenz.

Ende des Kirchenstaates:  1866 kommt es zum Krieg zwischen Österreich und Preußen. Österreich verliert und muss daraufhin Venetien an Italien abtreten, da dieses mit Preußen verbündet ist. Im Zuge des Deutsch-französischen Krieges 1870 zieht Frankreich seine Schutztruppen aus Rom ab, worauf der italienische König Viktor Emanuel Rom besetzen lässt. Die dem Papst noch verbliebenen Teile des Kirchenstaates werden jetzt an Italien angeschlossen, und Rom wird italienische Hauptstadt. Vom Kirchenstaat, der seit dem 8. Jahrhundert bestanden hat, bleibt nur mehr der Vatikan, dessen Status staatsrechtlich lange Zeit ungeklärt bleibt. Der Papst ist mit dieser Entwicklung überhaupt nicht einverstanden. Pius IX. sieht sich bis zu seinem Tod 1878 als Gefangener im Vatikan und verbietet den Katholiken die Teilnahme am politischen Leben Italiens. Jahrzehnte lang existiert zwischen dem Vatikan und dem Staat Italien eine beträchtliche Feindschaft. Erst durch die Lateranverträge von 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Italien unter der Diktatur des faschistischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini wird der Kirchenstaat wieder als souveräner Staat festgeschrieben. Danach umfasst er nur noch das von einer Mauer begrenzte Gelände um den Petersdom. Es ist der kleinste allgemein anerkannte Staat der Welt mit einer Fläche von 0,44 Quadratkilometern.

Innere Probleme im Königreich Italien:  Der nationalen Euphorie zum Trotz gibt es in dem neuen Staat eine Fülle von wirtschaftlichen und sozialen Problemen, wobei insbesondere der starke Nord-Süd-Gegensatz eine Rolle spielt. Der Süden ist wirtschaftlich unterentwickelt, es gibt keine moderne Verwaltung und kein funktionierendes Steuersystem, andererseits einen beherrschenden Einfluss der Mafia. Zum Zeitpunkt der nationalen Einigung sind in ganz Italien über 75 Prozent der Einwohner Analphabeten. Die gesellschaftlichen Probleme sind der Hauptgrund für die beginnende italienische Auswanderung.

Rom als italienische Hauptstadt:  Eine Stadt, die plötzlich zur Hauptstadt eines ziemlich großen europäischen Staates wird, verändert sich rasch. Bald setzt ein starker Zustrom aus den ländlichen Gebieten Italiens ein, so dass Rom erstmals seit der Antike über die Stadgrenze der Aurelianischen Mauer hinauswächst. Dies zeigt sich auch an der Entwicklung der Einwohnerzahl:

1871                       212.000 Einwohner

1911                       519.000 Einwohner

1936                  1.150.000 Einwohner

1961                  2.188.000 Einwohner

2009                  2.744.000 Einwohner


 

 

Als Rom zur Hauptstadt des Königreichs Italien wird, handelt es sich um einen ganz jungen Staat, der von einem starken nationalen Selbstwertgefühl getragen wird. Sichtbares Zeichen der neuen Verhältnisse wird das monumentale Nationaldenkmal für Vittorio Emanuele II., den ersten König von Italien (gestorben 1878). Das riesige, in klassizistischem Stil gehaltene Bauwerk oberhalb des Forum Romanum ist 1911 eingeweiht worden. Es ist durch seine Größe und vor allem durch seine Höhe von vielen Orten der Stadt aus sichtbar. Kunsthistoriker halten meist nicht viel von der zur Schau gestellten Architektur der Macht. Als Aussichtsfläche ist es aber immerhin hochgeeignet.

Irredentismus:  Die nationalistisch eingestellten Kreise sind mit dem Erreichten noch lange nicht zufrieden, sondern fordern die Erweiterung des Staatsterritoriums um jene Gebiete außerhalb, in denen auch noch Italiener leben. So wird der Anschluss von Trentino, Istrien, Korsika, Nizza, Savoyen, Monaco, des Kantons Tessin, von Dalmatien, Malta und San Marino gefordert. Diese Gebiete sollen von der jeweiligen Fremdherrschaft erlöst werden  [Irredentismus = Erlösung;  terre irredente = unerlöste Gebiete], was zwangsläufig zu Konflikten mit den Nachbarstaaten, vor allem mit Frankreich und Österreich, führt. Nach dem Ersten Weltkrieg kann sich Italien Trentino, Südtirol, Istrien und Dalmatien von Österreich-Ungarn sichern.

Imperialistische Außenpolitik:  Ein anderes Ziel der italienischen Außenpolitik ist die Gewinnung von Kolonien im Mittelmeerraum und in Ostafrika mit dem Ziel, ein neues Römisches Reich zu schaffen. Ab 1881 begann Italien mit dem Erwerb eigener Kolonien, um den Bedarf an Rohstoffen für die Industrialisierung zu decken und die hohe Auswanderung von Italienern in eigene Kolonien umzulenken. 1881 kommt es zum Versuch, Äthiopien militärisch zu unterwerfen, dies scheitert jedoch, ebenso wie die Eroberung von Somaliland. 1911 wendet sich Italien dem östlichen Mittelmeerraum zu und erobert im Krieg gegen das Osmanische Reich das Gebiet des heutigen Libyen sowie in der Ägäis die Inselgruppe des Dodekanes.


 

 

Vom Ersten Weltkrieg bis heute

Erster Weltkrieg:  Italien bleibt zunächst neutral. Obwohl es zusammen mit Österreich-Ungarn und Deutschland den Dreibund bildet, beteiligt es sich 1914 nicht am Krieg, wechselt aber im folgenden Jahr auf die Seite der Entente-Mächte. Ziel ist es, den Irredentismus zu verwirklichen und die italienischen Gebiete von Österreich-Ungarn zu erobern. Um Italien auf seine Seite zu ziehen, verspricht ihm die Entente Südtirol bis zur Brennergrenze, Dalmatien und weitere Kolonien. Italien kündigt den Dreibund und erklärt im Mai 1915 Österreich-Ungarn den Krieg und 1916 dem Deutschen Kaiserreich.

Ausgang des Krieges:  Im November 1918 gehört Italien zu den Siegermächten des Ersten Weltkriegs. Südtirol und das Trentino kommen an Italien, außerdem das österreichische Küstenland an der nördlichen Adria, also vor allem Triest mit Hinterland. Hier ergibt sich sogleich ein Konflikt mit dem neu gegründeten Staat Jugoslawien, vor allem um die Stadt Fiume (= Rijeka, heute Kroatien). Nicht alle Forderungen von Italien werden erfüllt. Die italienischen Nationalisten sind vom Ergebnis der Friedensverhandlungen enttäuscht, man hat sich viel größere Gebietsgewinne erwartet. Dies sowie wirtschaftliche Schwierigkeiten nach dem Ersten Weltkrieg führen zu einer politischen Radikalisierung und zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. So wie auch in anderen Ländern nach dem 1. Weltkrieg, sind anfangs die Sozialisten und Kommunisten obenauf. Durch Streiks, Unruhen, Gewalttätigkeiten, Fabriksbesetzungen und gewaltsame Enteignung von Großgrundbesitzern verunsichern sie die Lage.

1919 Gründung der Faschistischen Partei durch Benito Mussolini.  Es kommt zur Bildung eines bewaffneten Parteiheeres, welches gezielte bürgerkriegsähnliche Operationen gegen die Sozialisten durchführt, damit diese durch Gewaltakte eingeschüchtert werden. Die Polizei verhält sich passiv und hilft dadurch den Faschisten. Die Faschisten können sich vor dem verunsicherten Bürgertum als Ordnungshüter gegenüber der sozialistischen Gefahr in Szene setzen. Großer Zulauf an neuen Parteimitgliedern, vor allem aus dem Kleinbürgertum.

1922 Marsch auf Rom:  Mussolini droht, Rom von seinen Parteitruppen militärisch besetzen zu lassen, falls er nicht zum italienischen Ministerpräsidenten ernannt wird. Der Staat gibt der Drohung nach. König Viktor Emanuel III. weigert sich, einen Befehl zur militärischen Verteidigung der Hauptstadt zu unterzeichnen. Mussolini wird italienischer Ministerpräsident. Anfangs gibt es noch eine gemäßigte Regierungspolitik. Im Kabinett sind auch nicht-faschistische Minister. Seit 1925 jedoch rasche Entwicklung zum faschistischen Einheitsstaat. Anwendung von Gewalt, politische Morde, Beseitigung der politischen Opposition; Militarisierung der Gesellschaft, Verbannung von Oppositionellen auf kleine Inseln oder in abgelegene Dörfer; Kontrolle der Massenmedien. Mussolini wird zum fast unumschränkten Diktator, um den ein gewaltiger Personenkult herrscht. Italien bleibt jedoch formal Monarchie. Viktor Emanuel III. bleibt das offizielle Staatsoberhaupt.

1929 Lateranverträge:  Es kommt zur Versöhnung zwischen dem italienischen Staat und dem Vatikan. Die katholische Kirche beendet ihre seit der Auflösung des Kirchenstaates (1870) bestehende Feindschaft gegenüber dem italienischen Staat. Die Stellung der Faschisten wird dadurch gestärkt, während dem Ruf der Kirche die Zusammenarbeit mit dem Faschismus längerfristig schadet. Dazu gehört auch die umstrittene Rolle von Papst Pius XII. während des Zweiten Weltkriegs. Dem Papst und der Kurie wird nach 1945 vorgeworfen, die nationalsozialistischen Verbrechen, insbesondere die massenhafte Vernichtung von Juden durch die Nazis, nicht deutlich verurteilt zu haben.

Außenpolitik im Geiste des Imperialismus:  Als Vorbild dient das Imperium Romanum des Altertums.

·        1935/36 kommt es zur Eroberung von Äthiopien.

·        1936-1939 Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg:  Mussolini unterstützt die spanischen Faschisten unter General Franco. Dadurch kommt es zur Annäherung an das nationalsozialistische Deutschland, das Franco ebenfalls militärischen Beistand leistet. Es entsteht die Achse Berlin - Rom. –

·        1939 kommt es zur Besetzung von Albanien.

Verherrlichung der römischen Antike:  Die Faschisten benutzen die Geschichte für politische Propaganda. Sie betreiben einen regelrechten Kult um das Imperium Romanum. Dazu gehört, dass in Rom in großem Stil archäologische Ausgrabungen betrieben und Altertümer restauriert werden. Als Propaganda für den Faschismus eignen sich vor allem monumentale Bauwerke aus der Kaiserzeit. Allerdings wird die Antike nicht nur restauriert, sondern teilweise auch verstümmelt. So lässt Mussolini die Via dei Fori Imperiali erbauen, eine Paradestraße, welche quer über die antiken Kaiserforen führt und die Piazza Venezia mit dem Kolosseum verbindet. Im Zuge der Baumaßnahmen werden neben zahlreichen Wohnhäusern auch großzügig wichtige Spuren der Antike beseitigt. 1932 eröffnet Mussolini zu Pferd anlässlich eines Treffens italienischer Kriegsveteranen feierlich die neue Prachtstraße, auf der in der Folge faschistische Aufmärsche und Großkundgebungen stattfinden.

Italienische Kriegsziele im 2. Weltkrieg:  Im Juni 1940 tritt Italien auf der Seite des Deutschen Reiches in den Zweiten Weltkrieg ein und erklärt Großbritannien sowie Frankreich den Krieg. Mussolini will den Krieg nutzen, um das Imperium Romanum rund um das Mittelmeer neu zu gründen und dazu Nizza, Korsika, Malta, Dalmatien mitsamt Albanien, Kreta sowie weitere griechische Inseln erobern. Zu den bereits bestehenden Kolonien sollen Tunesien, Ägypten (mitsamt der Sinai-Halbinsel), der Sudan und Teile Kenias hinzukommen, um eine Landverbindung von Libyen nach Italienisch-Ostafrika herzustellen.

Tatsächliches Kriegsgeschehen:  Die italienischen Erfolge sind im Vergleich zu den Kriegszielen sehr bescheiden. Der Angriff auf Griechenland und Nordafrika ist wenig erfolgreich. Mussolini gerät immer mehr in Abhängigkeit von Deutschland, welches Jugoslawien und Griechenland militärisch besetzt. 1943 landen die Alliierten in Sizilien und gehen daran, Italien vom Süden her zu erobern und vom Faschismus zu befreien. Aus Enttäuschung über die militärischen Misserfolge Italiens wird Mussolini in Rom vom Faschistischen Großrat abgesetzt und gefangengenommen. Sein vom König eingesetzter Nachfolger Badoglio löst die Faschistische Partei auf und unterzeichnet ebenfalls noch 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Vom Norden her marschiert jetzt die Deutsche Wehrmacht in Italien ein, um den Vormarsch der Alliierten aufhalten. Mussolini wird von einem SS-Kommando befreit. Er kann sich in den deutsch-besetzten nördlichen Gebieten Italiens noch bis 1945 als Marionette der Deutschen halten. 1945 wird er auf der Flucht von Partisanen erschossen. Die Kämpfe zwischen den Alliierten und der Deutschen Wehrmacht dauern noch bis Ende April 1945, dann kapitulieren die deutschen Streitkräfte bedingungslos. Damit endet der Zweite Weltkrieg für das Königreich Italien. In den letzten zwei Kriegsjahren gibt es auf dem italienischen Kriegsschauplatz eine beträchtliche Zahl an Kriegstoten (über 60.000 alliierte und 50.000 deutsche Soldaten in Italien) sowie Kriegsschäden, da die Deutschen nur langsam zurückgedrängt werden können und den eigentlich verlorenen Krieg dadurch verlängern. Die Stadt Rom kommt vergleichsweise gut weg. Sie wird von der deutschen Heeresleitung beim Rückzug im Juni 1944 zur offenen Stadt erklärt, weshalb die Alliierten weitgehend unbehelligt in Rom einziehen können.

Italien nach 1945:  Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg gehört Italien 1945 zu den Verlierern. Es muss seine Kolonien in Afrika aufgeben, auch die griechischen Inseln in der Ägäis gehen verloren. Das nach dem Ersten Weltkrieg umstrittene Grenzgebiet zwischen Italien und Jugoslawien kommt zum größeren Teil an Jugoslawien, die Hafenstadt Triest bleibt allerdings bei Italien. Das Land bekommt kurz nach dem Krieg eine neue StaatsformKönig Viktor Emanuel III., diskreditiert durch den Faschismus (Ernennung Mussolinis zum Ministerpräsidenten und Unterzeichnung der Rassengesetze), dankt 1946 zugunsten seines Sohnes Umberto II. ab. Im gleichen Jahr findet eine Volksabstimmung über die künftige Staatsform statt, bei der sich 54,3 Prozent für die Republik entscheiden. Daraufhin müssen die Mitglieder des Hauses Savoyen Italien verlassen und die republikanische Verfassung tritt Anfang 1948 in Kraft. Zu den bemerkenswerten Ereignissen der Nachkriegsjahre gehört die Tatsache, dass Italien zu den Mitbegründern der NATO, des Europarats und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehört.

Innenpolitische Situation:  Die wichtigste Partei in Italien ist bis in die 1990er Jahre die Democrazia Cristiana, welche in diesem Zeitraum fast alle Ministerpräsidenten stellt. Ihr stärkster Gegner sind die Kommunisten, welche bei Parlamentswahlen mehrmals einen Stimmanteil von rund 30 % erreichen und damit die stärkste kommunistische Partei in Westeuropa sind. Um sie von einer Regierungsbeteiligung fernzuhalten, muss die Democrazia Cristiana Bündnisse mit kleineren Parteien schließen. Deshalb und auch weil man nach den Erfahrungen mit dem Faschismus keine starke Regierung mehr will, gibt es in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg oft Regierungswechsel in rascher Folge. Italien ist bekannt für seine innenpolitische Instabilität.

In den 1970er Jahren kommt es zeitweilig zu einer Annäherung von Christdemokraten und Kommunisten und sogar zu dem Versuch, gemeinsam eine Regierung zu bilden. Dieser historische Kompromiss bleibt aber erfolglos. Zur selben Zeit wird Italien mehrfach von terroristischen Anschlägen von links und von rechts erschüttert. 1978 wird der christdemokratische Ministerpräsident Aldo Moro entführt und knapp zwei Monate später tot aufgefunden. Die kommunistischen Roten Brigaden bekennen sich zu seiner Entführung und Ermordung. Den Höhepunkt der terroristischen Aktionen bildet 1980 ein höchstwahrscheinlich von Rechtsradikalen verübter Anschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna, bei dem 85 Menschen getötet werden.

Gesellschaftliche Veränderungen:  Der Einfluss der katholischen Kirche geht stark zurück. 1984 verliert der Katholizismus seinen Status als Staatsreligion. Bereits 1970 wird gegen den Widerstand der Kirche die Ehescheidung ermöglicht. 1979 wird die Abtreibung legalisiert. Im gleichen Zeitraum sinkt die Geburtenrate im Land der Bambini deutlich:  1946 liegt sie noch bei 3,01 Kindern pro Frau, 1976 bei 2,11, also oberhalb der natürlichen Reproduktionsrate. In der Folge geht sie bis 1995 auf 1,17 zurück ab und schwankt seither zwischen 1,2 und 1,3. Gleichzeitig ist der Anteil der Bevölkerung mit Studienabschluss drastisch angestiegen.

Wirtschaft und Staatsfinanzen:  Nach dem Krieg erlebte Italien, ähnlich wie das übrige Westeuropa, ein Wirtschaftswunder. 1987 überholt die italienische Volkswirtschaft sogar Großbritannien und ist damit zur fünftgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufgestiegen. Der Boom bleibt jedoch hauptsächlich auf den Norden und die Mitte Italiens beschränkt. Viele Süditaliener müssen nach wie vor ihre Heimat verlassen, um Arbeit zu finden, und ins europäische Ausland oder in die norditalienischen Regionen auswandern. Gleichzeitig verschlechtert sich die Lage der öffentlichen Haushalte dramatisch. Die Staatsverschuldung nimmt immer mehr zu. Dagegen kämpft man Anfang der 1990er Jahre mit einem Sparkurs und mit Sondersteuern auf Bankkonten an. Dazu kommt eine umfassende Privatisierung von Staatsbetrieben, was dem italienischen Staat beträchtliche Einmaleinnahmen bringt. Auf Dauer sind die Staatsfinanzen damit freilich nicht saniert. Diese leiden permanent an einer hohen Steuerhinterziehung, an den wachsenden Lasten im Gesundheitswesen und in der Altersversorgung. Weitere ungelöste Probleme Italiens sind die Schwerfälligkeit von Justiz und Verwaltung, die wirtschaftliche Rückständigkeit Süditaliens und der starke Einfluss der organisierten Kriminalität auf das Wirtschaftsleben.

Neuordnung der Parteienlandschaft:  Ab 1992 erfolgt durch die Aufdeckung von Korruptions- und Parteifinanzierungsskandalen eine grundlegende Neuordnung der Parteienlandschaft. Die Christdemokraten, die Sozialisten, die Liberalen und die Republikaner, die das Land 40 Jahre lang geführt haben, hören auf als eigenständige Parteien zu existieren. Gleichzeitig stürzt der Zusammenbruch des Ostblocks die Kommunisten in eine ideologische Krise. Im Norden des Landes wird der Unmut der Bevölkerung über die Politik von der sezessionistisch auftretenden Lega Nord angesprochen. Bei den Parlamentswahlen 1994 setzt sich die Koalition des Bau- und Medienunternehmers Silvio Berlusconi durch. Seine eben erst gegründete Forza Italia verbündet sich mit der Lega Nord und der postfaschistischen Nationalen Allianz. Das Regierungsbündnis hält jedoch nicht lange. Nach den Wahlen von 1996 kommt eine Mitte-links-Koalition an die Regierungsmacht. Berlusconi kehrt jedoch noch zweimal in das Amt des Ministerpräsidenten zurück, zuletzt 2008. Für die ungelösten Probleme des Landes interessiert er sich kaum. Seine Politik bedient die Reichen, denen angemessene Steuerleistungen weitgehend erspart bleiben. Ansonsten ist Berlusconi durch zahlreiche Skandale, Gerichtsverfahren und Bettgeschichten ständig in den Medien. In den Jahren nach 2008 gerät Italien in die Turbulenzen der europäischen Finanzkrise hinein. Dies sowie zahlreiche persönliche Skandale und Gerichtsverfahren führen dazu, dass Berlusconi 2011 schließlich zurücktreten muss. Sein Nachfolger seither ist Mario Monti, ein Mann aus der Wirtschaft, dessen schwierige Aufgabe es ist, die italienischen Staatsfinanzen zu konsolidieren und dem Land ein griechisches Schicksal zu ersparen. Ende 2011 hat Italien 1,9 Billionen Euro Schulden. Die Arbeitslosigkeit liegt im März 2012 bei 9,3%, viel höher ist allerdings die Arbeitslosigkeit unter den 19-24-jährigen: Sie liegt bei auf 31,9%.


 

Die Stadt Rom heute: 

·        Hauptstadt von Italien und der Region Latium.

·        2.760.000 Einwohner

·        Vatikanstaat  =  Enklave innerhalb der Stadt Rom, eigener Staat; Sitz des Bischofs von Rom und damit des Papstes der römisch-katholischen Kirche

·        Rom ist außerordentlich reich an bedeutenden Baudenkmälern und Museen und daher Ziel unzähliger Touristen. Die Altstadt von Rom, der Petersdom und die Vatikanstadt wurden von der UNESCO im Jahre 1980 zum Weltkulturerbe erklärt.

·        Unter dem Pontifikat von Papst Johannes Paul II. erlebte die Stadt zweimal einen nie zuvor dagewesenen Menschenandrang. Im Jahr 2000 kamen zum Gottesdienst am Weltjugendtag zwei Millionen Menschen vor die Tore der Stadt. An den Begräbnisfeierlichkeiten am 8. April 2005 auf dem Petersplatz nahmen 200 Staats- und Regierungschefs sowie drei bis vier Millionen Menschen aus aller Welt teil, von denen aber nur 300.000 Platz fanden, die übrigen verfolgten die Zeremonien auf Videogroßbildschirmen.

·        Probleme bei der Stadterneuerung:  Bei jedem Neubau, beim Bau von Straßen, bei Restaurierungsarbeiten stößt man ständig auf archäologische Spuren aus der Geschichte und es gibt Verzögerungen und Baustopps. Deshalb wurde auch die dringend benötigte dritte Metro-Linie bis heute nicht gebaut.

·        Geplant ist ein riesiger archäologischer Park, der von den Kaiserforen über das Kolosseum bis hinaus über die Aurelianische Mauer zur Via Appia führen soll!

·        Größere Probleme als die historische Innenstadt machen die oft unschönen Vorstädte mit ihrer hohen Kriminalitätsrate. Dort sind nach dem Zweiten Weltkrieg oft Gebäude fast unkontrolliert in die römische Landschaft gebaut worden. Während in der Innenstadt die Kirchen aufgrund ihrer Überzahl oft kaum noch zu erhalten sind, fehlen sie in der Umgebung häufig völlig. Bis heute sind in der einstigen Stadt der „Thermen für alle“ öffentliche Bäder kaum vorhanden.